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Luxuskrise

Langsam werden die Corona-Beschränkungen gelockert. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis 800qm dürfen seit dem 20.  April wieder öffnen. Das gilt auch für Louis Vuitton am Kurfürstendamm. Weil alles was man dort kaufen kann sich in einer Preisklasse bewegt, die sich nicht Jedermann leisten kann (oder vielleicht auch will), sieht man dort in der Regel selten eine Traube Menschen stehen, die auf Eintritt warten. Louis Vuitton, geschlossen wegen Überfüllung, passt nicht. Auch bei der weiterhin geltenden 'Steuerung von Zutritt' ist eine Warteschlange draußen vor der Tür ungewöhnlich. Heute ist das aber so. Vor Louis Vuitton stehen Mann und Frau an. Sie bilden einen kleinen Auflauf und es scheint: Abstandsregeln sind passé.

Als ich kurz darauf zwei gepflegte und gut angezogene älteren Damen sehen, von der eine der beiden eine Louis Vuitton Tragetasche trägt, frage ich sie, ob sie dort soeben eingekauft habe. Ich schildere ihr meine Beobachtung und frage sie, ob sie mir vielleicht helfen könne, das Rätsel dieser ungewöhnlich vielen Menschen vor dem Laden zu lösen. 

Die Dame verneint und sagt, sie würde die Tragetasche nur als Einkaufstasche nutzen, weil sie so hübsch und groß ist. Die zweite Dame allerdings sagt, dass sie diesen Auflauf an Menschen ebenfalls verwundert gesehen hätte und zufällig ein Gespräch zweier Frauen überhört habe, die dort anstanden. Die eine Frau habe der anderen erzählt, dass ihr Freund ihr während des Lockdowns die neue Onthego-Tasche für €1950 geschenkt habe – als Trost für die doofe Zeit – , die sie nun abholen will. Dabei hätte die andere Frau mit einem breiten Grinsen genickt und geantwortet, dass das bei ihr genauso wäre und noch gefragt: Welche denn? Die rote oder die in Pastell?

Nun war das Rätsel gelöst und ich verabschiedete mich von den beiden Damen und ging meines Weges. Einem Freund, dem ich das später erzählte, sagte: "Das ganze Geld, was in den letzten Wochen gespart wurde, wird jetzt abstandslos ausgegeben!"