Eine rote Strumpfhose und drei Damen auf der Bank

Die Bänke in den Parks sind voll. Im Corona-Abstand sitzen die Leute nebeneinander. Auf eine lange Bank passen dann maximal vier Personen.

Einige telefonieren, manche schweigen, andere unterhalten sich. Ich sitze nicht; ich laufe. Im Vorbeigehen fängt eine rote Strumpfhose auf einer Bank meinen Blick. Ich verlangsame meinen Schritt, damit ich sie zuordnen kann. Sie gehört zu Beinen in ebenso roten Schuhen, darüber ein bunter Rock und im Schoß zwei Hände. In der einen Hand eine Flasche Weißwein, in der anderen Hand das Glas. Ich bleibe einen kurzen Moment stehen und sehe eine ältere Dame zwischen anderen älteren Damen.

Was würde passieren, wenn ich stehenbliebe und diesem illustren Kreis beim Erzählen zusehe, denke ich? Für einen Moment wünsche ich mich in die Geborgenheit eines Theaterraums, wo der Blick auf die Figuren dazugehört.

Mein Alltag hat mit der roten Strumpfhose einen Farbtupfer erhalten. Die fröhlich daher redenden Stimmen, die zu den Damen gehören, versprechen eine gewisse Dramaturgie, die ich gerne weiter beobachten wollen würde. Doch ich reiße mich los und gehe weiter.

Lange klingt ihr Lachen nach und das Bild verselbstständigt sich zu einer Geschichte, die ich mir vorstelle. Vor mir sehe ich eine kleine Gemeinschaft älterer Damen, die der Isolation trotzen und in einem fröhlichen Beieinander, an einem Sonntagvormittag einen kühlen Weißwein in der Sonne genießen. Die Stimmung ist gut, die Gespräche gewinnen an Witz und Unterhaltsamkeit. Es sind Gespräche, die  vor sich hin plätschern. Es geht um dies und das oder um jenes. Corona hebt den Redebedarf auch wenn das Meiste sich zu wiederholen scheint. Die Dialoge gehören zu einem Theaterstück, dessen Skript sich gerade selber schreibt.