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Der Buchladen

Uns werden die Tage nicht zu lang. Es ist genau andersherum. Die Tage scheinen kürzer denn je seitdem alle zu Hause sind. Im nu ist es Abend. Die Kinder haben gelernt, waren ein wenig an der frischen Luft und haben sich bewegt. Aber gespielt habe ich kaum, jault mein Jüngster. Das stimmt, denke ich und frage mich, wo die Zeit hin ist.

Ich erinnere mich, ich hatte meinem Jüngsten versprochen, dass wir etwas Besonderes finden, um diese merkwürdig geschlossene Zeit zu versüßen. Ich schlage vor, Abendspaziergänge zu machen. Nach acht Uhr gehen wir nochmal aus dem Haus und laufen durch die leeren Straßen. Nun sind sie wirklich leer. Es fahren wenig Autos. Es sind kaum Leute draußen. Die Restaurants sind zu. Die Läden ebenfalls. Überall sieht man die Aushänge: Aus aktuellem Anlass…

Wir machen ‚Challenges‘, wie es die Kinder nennen. Jeder muss sich eine besondere Bewegung, einen Schritt oder Sprung ausdenken. Die anderen müssen sie nachmachen. So bewegen wir uns sehr dynamisch durch die Straßen. Es wird gelacht, geatmet. Wir sind laut und fröhlich. Dass ich unfit bin, merke ich dann besonders. Aber die Bewegung tut gut und ich laufe sogar mit den Kindern um die Wette. Manchmal gehen wir schneller, manchmal langsamer. Wir schauen in die Fensterläden. Manchmal bleiben wir stehen und schauen genauer hin. Wir entdecken ein Showvitrine eines Kinderspielzeugladens, der um die Ecke ist. Die Vitrine ist bunt und voll mit unterschiedlichen Dingen, von Puppen bis Bücher. Besonders fesselt mich ein Kinderbuch über Friedrich den Großen. Es gefällt mir sofort. Wir beschließen die Straße hinunter zu gehen und uns das Schaufenster des Ladens genauer anzusehen. Als wir ankommen, steht ein freundlicher Herr im langen Mantel davor und sagt, dass der Laden morgen wieder öffnet. 

Buchläden gehören zur Grundversorgung und sind deshalb nicht geschlossen. Das weiß ich und habe bereits öfter die Möglichkeit genossen. Nun erzählt uns der Herr, er habe alte Zeugnisse gefunden, die betonen, dass Buchläden auch Bildungsstätten sind. Daran habe ich keinen Zweifel. Bildung und Vergnügen schließt sich nicht aus. Dieser Kinderbuchladen ist eine besonders vergnügliche Bildungsstätte, die eine Menge bereithält, wie wir nun entdecken. Die Kinder und ich können von außen nicht nur ins Schaufenster sehen, wir können in den Laden hineinsehen. Das Schaufenster ist voll, die Regale bis unter die Decken gefüllt. Es gibt Puppen verschiedener Größe, aus Porzellan oder aus Plastik, bekleidet wie kleine Erwachsene oder wie Babys. Es gibt Holzspielzeug und Teddybären, Holzfiguren und Autos, es gibt kleine Schatullen mit buntglitzernden Steinen und Bücher natürlich. Bücher in deutscher, englischer oder in spanischer und russischer Sprache. Das Schaufenster hat etwas Zauberhaftes, denke ich, sowie es das Miteinander von Spiel, Lesen und Lernen immer schon versprochen hat.